Warum Twitter weit mehr als 44,5 Mio Besucher hat bzw. 1,8 Mio in Deutschland

Irgendwie scheinen sich alle verabredet zu haben um neue Nutzer und Besucherzahlen rund um Twitter herauszubringen. Von Comscores 44.5 Millionen Besucher weltweit bis hin zu Nielsens Zahlen für Deutschland von 1.8 Millionen Besuchern ist ihnen alles eines gemeinsam: Der Teufel liegt im (Analyse-D)etail.

Denn jeder berechnet seine Zahlen unterschiedlich, im Fall von Twitter mal mit oder ohne die Besuche auf andere Seiten / Software usw. und vor allem werden nicht die große Anzahl von Spammer-Accounts rausgerechnet, wie denn auch.

Ich habe die Links unten kurz im Überblick gegeben, möchte auf folgende Punkte hinweisen:

  • Außer Nielsen weißt keiner Daten aus, die darauf hinweisen das Tweets hoch in Suchmaschinen ranken und daher viele Treffer von Google und Co erhalten sollten. Diese Nutzer verlassen Twitter verwirrt wieder, werden aber mitgezählt.
  • Der normale Twitterer (d.h. derjenige der nicht wieder nach den ersten Tweets geht) verwendet Twitter in den meisten Fällen nicht mehr auf der Webseite, sondern Programme wie Tweetdeck und co sowie vom Handy.  Daher ist die hohe Anzahl von Einmalbesuchern kein Wunder.
  • Nicht gezählt wird die Sichtbarkeit von Tweets, d.h. wo jemand die Informationsströme noch sehen kann. Viele Teilnehmer leiten ihre Tweets zum Beispiel auf ihre Webseite um (wie ich es auf der Startseite von mit140zeichen.de auch mit den Tweets von m140z mache) bzw. leiten die Tweets auch in andere Systeme weiter, wie zum Beispiel Facebook oder Friendfeed oder in die zum Teil nicht unbeträchtlich großen Mailinglisten.Auch diese Tweets werden vielfach von Suchmaschinen gefunden und ausgewertet bzw. von anderen Teilnehmern in andere Systeme weitergegeben, in einem viel höheren Maß als Blogartikel und co.
  • Die twitternde Mehrheit (also die wenigen User die viele Tweets absenden bzw. viele Follower haben) nutzen ihre Multiplikatoren-Wirkungen aus. Siehe zum Beispiel das Otto-Macbook-Desaster.

Wohin wird das Wachstum führen?

Schon werden die Bemerkungen laut, daß ja nun bald gut ist und der Hype vorbei ist. Dies geht jedoch an der Realität vorbei und erinnert in fataler Weise an die Offliner, die vor mehr als 10 Jahren auch Sätze von sich gaben “Internet? Das ist in zwei Jahren genauso tot wie BTX” (1996; Kommunikationschef eines grossen Unternehmens; zwei Jahre später hat er wenigstens begriffen und angefangen Vorträge über die Relevanz des Internets zu halten).

Vor allem die Strahlwirkung in die anderen Systeme und die Verbindung der Tools untereinander macht eine reine Beurteilung von Twitter unmöglich – und doch fragen immer wieder alle exakt nur danach.

Daher, auch wenn alle von diesen Auswertungen auf ihre eigene Art und Weise mit Fehlern behaftet sind, hier ein paar Links zu Zahlen, Daten, Fakten.

Zahlen / Daten / Fakten

Nielsen: Nielsen ermittelt Verdopplung der Nutzerzahlen (Unique Audience) in Deutschland seit April

Basierend auf dem eigenen ‚Panel’ stellt Nielsen folgende Daten zur Verfügung:

  • Juni 2009 waren es 1,8 Mio Nettonutzer aus Deutschland, die wenigstens einmal im Monat Twitter besucht haben
  • Mehr Frauen (54%) als Männer twittern, und hauptsächlich die Gruppe der 25-34 jährigen nutzt es
  • 1,5 Mio dieser Besucher kommen über andere Seiten auf Twitter, vor allem durch Google
  • Im Juni waren 71,1 Prozent der Nutzer nur einmal auf der Website. Lediglich 14,8 Prozent der Nutzer waren mindestens drei Mal auf Twitter.com unterwegs.

Trotz des enormen Interesses, scheint die Nutzung von Twitter im Juni bei vielen Nutzern also eher flüchtig und wenig intensiv gewesen zu sein. Dafür spricht auch die auf der Website verbrachte Zeit: Im Vergleich zu anderen sozialen Netzwerken wie Facebook oder Wer-kennt-wen, weist Twitter eine deutlich geringere Nutzungsdauer auf. Lediglich 6,5 Prozent der Nutzer verbrachten im aktuellen Monat mehr als 30 Minuten auf Twitter. Bei Facebook beträgt der Anteil dieser Nutzer 31,8 Prozent. Auf Wer-kennt-wen verbrachten im Juni sogar 43,8 Prozent der Nutzer mehr als eine halbe Stunde. Dieses Ergebnis ist selbstverständlich auch darauf zurückzuführen, dass das Verfassen der 140-Zeichen-Tweets darauf ausgerichtet ist, schnell und in Echtzeit zu kommunizieren und damit weniger Zeit in Anspruch nimmt als die Kontaktpflege über andere soziale Netzwerke.

Aktuell zeichnet die Analyse der Daten für Twitter ein vielschichtiges Bild:

Auf der einen Seite steht das enorme Interesse und der Zuwachs der Nutzerzahlen. Auf der anderen Seite statteten die Nutzer Twitter nur wenige Besuche ab und viele Nutzer des Vormonats sind nicht wieder zurückgekehrt. Zugleich werden aber auch kurze Besuche durch die einfache Bedienbarkeit und die Schnelligkeit von Twitter begünstigt. Bei unvorhergesehenen Ereignissen mit hohem Nachrichtenwert kommen diese Eigenschaften dem Microblogging-Dienst zugute und generieren hohe Aufmerksamkeit.

Techcrunch: Twitter Reaches 44.5 Million People Worldwide In June (comScore):

7 Millionen neue Besucher in Juni, insgesamt 44,5 Mio Besucher weltweit, das sei 19% Wachstum seit Mai bzw 1460% seit dem Vorjahr.

55% aller Besucher kommen von international und Comscore rankt Twitter somit als #52 in der Welt. Diese Zahlen kommen noch vor den Designändernungen vom letzten Monat, welches die Startseite von Twitter stärker positioniert hat. Mit absoluter Sicherheit wird sich dieses Ranking im nächsten Monat verbessern.

Mashable: Twitter is Top Social Media Platform at Fortune 100 Companies

54% der  Fortune 100 Firmen haben einen Twitter-Account, 32% ein Blog und 29% eine Facebook Fan page. Wenn gefragt, welches Tool swählen würden, wenn nur eines zur Verfügung stehen würde sagen 76% Twitter.

Die Präsentation der Firma Burson-Marsteller gibt weitere Details zur Twitter-Nutzung:

nur 17% nutzen alle drei Kanäle

wenn die Firmen twittern, nutzen sie es zu 94% für Neuigkeiten und Ankündigungen, 67% für Kundenservice und 57% für Promo-Aktionen und Coupons.

Weitaus weniger aktiv sind die deutschen Dax-Unternehmen wie eine Untersuchung aus Deutschland zeigt:

Für die Kommunikation der Dax-Unternehmen spielt Twitter derzeit keine große Rolle. Rund die Hälfte der Konzerne hat keinen beziehungsweise keinen regelmäßig gepflegten Twitter-Account. Gut vertreten sind bei Twitter vor allem die IT-Konzerne und die Lufthansa. […]

In einer Untersuchung hat PR-COM die Aktivitäten der deutschen Top-Unternehmen im Hype-Medium Twitter untersucht. Ergebnis per 3. August 2009: Von den 30 Dax-Unternehmen verfügen derzeit 22 über offizielle Twitter-Accounts. Dagegen sind Deutsche Börse, Deutsche Post, EON, Hannover Rück, K+S, Metro, Münchener Rück und ThyssenKrupp bei Twitter überhaupt noch nicht vertreten.

Einige andere, so Adidas, Beiersdorf, Deutsche Bank, Fresenius oder Merck verfügen zwar über Accounts, haben dort jedoch nur wenige Tweets gepostet. In einigen Unternehmen wird aber derzeit über einen Einstieg bei Twitter diskutiert, so bei der Deutschen Post. In der Unternehmenskommunikation verankert ist das neue Medium in den wenigsten Fällen.

Recht aktiv bei Twitter sind Daimler, Volkswagen, die Telekom, Henkel, SAP und Siemens. […] Die bei Twitter aktiven Unternehmen führen in der Regel mehrere Accounts auf verschiedenen Ebenen und auch für bestimmte Projekte.

Gefühlt sind die Deutschen dabei wenig bis gar nicht aktiv; die so oft hervorgehobene Lufthanse ist mit @lufthansa_de ein von extern gefüllter Info-Feed. Die Untersuchung ist natürlich eine typische Pressemitteilung, weitaus aufschlußreicher ist in diesem Zusammenhang die Liste von @talkabout, wer sich also informieren möchte, was die deutschen Firmen in Twitter so treiben sei dort einmal ein Blick hin empfohlen.

Fazit

Immer noch ist Twitter in den Medien, immer noch wachsen die Teilnehmerzahlen und mehr und mehr Besucher die bisher nix mit der ‘klassischen Welt’ des Web 2.0 zu tun haben wollten – also Blogs, Podcasts, RSS etc etc – freunden sich auf einmal mit dem Gedanken an. Nicht um es nur zu nutzen, sondern auch um sich endlich einmal mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Das zeigt auch die Begeisterung der Firmen gegenüber den anderen Kanälen. Nicht unterschätzen darf man dabei, daß alle neuen Medien neue Herausforderungen bringen – es reicht eben nicht einfach nur kurz einmal einen Twitter-Account aufzumachen und dann wieder sein zu lassen.

Auch wenn die Neinsager so sehr drauf hoffen: Twitter wird ein allgemeiner Bestandteil des Netzes bleiben.

Und dabei ist es egal wieviele es im Endeffekt nutzen, wenn die Anzahl der für mich wichtigen Twitternden reicht. Ich und meine Freunde (die vermutlich eher im Chat oder auf StudiVZ und co sind), oder meine Kunden (die ev. eher in Communitities zu finden sind oder aber auf Bewertungsplattformen), bei all denen geht es nicht um Twitter oder nicht Twitter. Sondern um “wo reden wir am besten miteinander”.

Und im Zweifelsfall kann das auch offline bedeuten.

8 Kommentare zu „Warum Twitter weit mehr als 44,5 Mio Besucher hat bzw. 1,8 Mio in Deutschland“